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Elton John und Band Live in Wetzlar 2012

Bericht und Bilder von Niklas

Vorgeschichte
Nachdem ich 2011 schon in Mannheim ein Konzert von Elton Johns "Greatest Hits"-Tour gesehen hatte, war es wohl ein mehr als glücklicher Zufall, dass die Stadt Wetzlar Elton für ein Konzert auf den diesjährigen Hessentag holen konnte. Da der Hessentag ein jährlich wechselndes Festival ist, fand das Konzert auf einer großen Wiese in einem Industriegebiet statt - dementsprechend gab es größtenteils Stehplätze, was für Elton John eher untypisch ist. Berichten in lokalen Zeitungen zufolge waren wohl um die 12000 Zuschauer da, davon ca. 2400 auf Sitzplätzn auf zwei Tribünen.
Bis gestern stand nicht fest, ob das Konzert stattfinden würde, da Elton vergangene Woche einige Konzerte seiner "Million Dollar Piano"-Dauer-Show in Las Vegas wegen einer Atemwegsinfektion absagen musste. Ähnlich ungewiss gestaltete sich die Organisation vor Ort. Weder auf dem Ticket noch auf der Hessentagshomepage stand, wann der Einlass beginnen würde, und im Endeffekt begann er eine Stunde später (um 6) als auf den Eventim-Tickets aufgedruckt und nur an einigen Eingängen, was zu großem Unmut bei den Besuchern führte. Zudem wurden alle Zuschauer von Kopf bis Fuß abgetastet und Kameras waren verboten - Trotzdem saßen im Endeffekt einige Zuschauer vor dem Konzert im Front of Stage-Bereich mit Campingklappstühlen (!!!).

Konzert
Glücklicherweise wurde Eltons Band (u. a. Nigel Olsson (Drums) und Davey Johnstone (Gitarre) aus Eltons '70er-Jahre-Band) auch gestern wieder durch einen Frauenchor und die 2Cellos (zwei junge ukranische Cellisten, die durch Michael Jackson- und U2-Covers auf YouTube bekannt geworden sind) begleitet. 
Die 2Cellos waren auch wieder "Vorband" und spielten von Viertel vor 8 bis kurz nach 8 "Smooth Criminal" (Michael Jackson), "With or without You" (U2), "Smells Like Teen Spirit" (Nirvana) und "Highway To Hell" (ACDC), wobei sie bei letzterem von Eltons Percussionisten John Mahol (an Yamaha-E-Drums) begleitet wurden.
Dann kam der Rest der Band auf die Bühne und legte los mit SATURDAY NIGHT'S ALRIGHT FOR FIGHTING. Der Sound war laut und fett, aber von Anfang an klar differenziert. Die Stimmung war gleich ziemlich gut und Elton war sichtlich angetan; wahrscheinlich ist er das auch nicht mehr so gewöhnt, da seine Konzerte meist komplett bestuhlt sind. Elton heizte durch Gesten das Publikum (vor Allem den Front of Stage-Bereich) ein und streckte den Pressefotographen permanent Zunge und Zahnlücke entgegen. Direkt weiter ging's mit BENNIE AND THE JETS, was die Stimmung natürlich weiter einheizte. Eltons Simme war in ziemlich guter Verfassung, von Erkrankung keine Spur. Anzumerken ist trotzdem, dass die Band - wie schon seit Jahren - die Falsetto-Parts übernimmt, was aber kaum auffällt. 
Im Anschluss begrüßte Elton das Wetzlarer Publikum (nicht die Standardfloskel "We're very happy to be back in this beautiful city of ... and we're gonna carry on with ..."), zählte den medizinischen Befund seiner Atemwegsinfektion auf latein auf uns kommentierte das mit "... but I'm here and I'm fine" (oder so ähnlich), bevor er mit GREY SEAL einen ziemlich unbekannten Titel seines wohl größten Albums "Goodbye Yellow Brick Road" ankündigte, von dem ja auch "Saturday..." und "Bennie and the Jets" kommen.
Anschließend spielte er mit LEVON einen dem allgemeinen Publikum ebenso eher unbekannten Stück eines meiner absoluten Lieblingslieder. Hier durfte zum ersten Mal an diesem Abend der Frauenchor mitsingen, folglich war es eine sehr schöne Version dieser tollen Ballade vom "Madman Across The Water"-Album. Letztes Jahr in Mannheim spielte er mit "Levon", "Madman Across The Water" und "Tiny Dancer" einen geschlossenen Block dieses Albums, gestern fehlte leider das Titelstück und TINY DANCER schloss sich direkt an "Levon" an. "Tiny Dancer" war wiederum jedem bekannt, wurde durch die ukranischen Streicher verstärkt und hob die Stimmung wieder an. Nach "Grey Seal" folgte nun, inklusive Ansage, ein weiteres sehr altes Stück, das Elton letztes Jahr in Deutschland nicht spielte: MONA LISAS AND MAD HATTERS von Honky Chateau, dem Album mit "Rocket Man" und "Honky Cat". Sie spielten, wie in den letzten Jahren üblich, "nur" den ersten, langsameren Teil der Ballade. Ich mag das Stück sehr gerne und hab mich sehr darüber gefreut. Dem Großteil des Publikums schien es auch gefallen zu haben, was sicherlich auch an dem Gospelchor lag, der den Refrain mitsang. Im Anschluss folgte mit PHILADELPHIA FREEDOM ein weiteres meiner Lieblingsstücke, bei der LED-Teppich an der Bühnenrückwand erstmals zur Geltung kam und Elemente der Flagge der USA zeigte.


Etwas überraschend folgte schon als achtes Stück CANDLE IN THE WIND in der Album-Version von "Goodbye Yellow Brick Road", also mit Gitarre und (mir etwas zu wuchtig abgemischten) Drums. Ich bin froh, dass er das Stück dieses Mal gespielt hat, weil es unter dem Titel "Greatest Hits" einfach nicht fehlen darf und letztes Jahr oft kritisiert wurde, dass er es nicht gespielt hat. 
Ein weiteres Highlight für uns alle war GOODBYE YELLOW BRICK ROAD, das auch heute noch toll klingt (auch wenn der hohe Refrain z. T. nur von der Band gesungen wird) und irgendwie auch für mich in meiner aktuellen Lebenssituation (Auszug, Studiumsbeginn etc.) passend ist. Es ist auch ein schönes, verbindendes Gefühl zu wissen, dass mein Vater, als er in meinem Alter und gleichen Umständen war, dieses Lied (und das Album) auch schon so gerne gehört hat wie ich heute - Denn das zeigt ja auch, dass gute Musik unsterblich ist: Ich bin total dankbar, dass ich mit meinen 20 Jahren heute noch die Chance bekomme, diese Musik und diese Künstler live auf der Bühne zu erleben.

Gleiches gilt für das nächste Stück, ROCKET MAN - der Ursprung meiner Elton John-Sympathie. Es wurde in einer neuen, kurzen Verison dargeboten. In den letzten Jahren wurde "Rocket Man" ja ausufernd auf 11, 12 Minuten zelebriert; gestern hingegen gab's eine neue Einleitung, Variationen in der Gesangslinien und ein ziemlich kurzes Outro, das eher der Originalfassung entspricht. Erfrischend anders! 
Es folgte I GUESS THAT'S WHY THEY CALL IT THE BLUES, das mir nach wie vor live nicht so gut gefällt wie in der Studioversion, weil es zu sehr scheppert und Elton gesanglich zu viel improvisiert. Dem Publikum hat's aber gefallen. 
Mit HEY AHAB wurde im Anschluss nur ein Song vom 2010er Album mit Leon Russel gespielt (2011 hatte er immerhin drei gespielt), der aber mit sehr viel Spielfreud und tollem Chorgesang, weshalb die Stimmung im Publikum entgegen meiner Erwartungen (wieder mal!) nicht abriss, sondern sich noch steigerte. Das hat Elton auch sichtlich gefreut. Sowieso wirkte er sehr entspannt, schnitt permanent Grimassen, deutete ständig auf Personen im Publikum, lächelte sie an und tigerte nach fast jedem Song applaudierend die Bühne rauf und runter. Er war wirklich "on fire" und man merkte, dass er nach den krankheitsbedingten Konzertausfällen letzte Woche richtig Bock auf das Konzert hatte und nicht bloß das Programm abspulte.
Mit SACRIFICE bekam zwar meine Stimmung einen Dämpfer, weil ich das Stück grottig schlecht finde, aber auch das wird scheinbar gerne gehört.

Nach dem Konzert in Mannheim letztes Jahr war ich der Meinung, dass "Funeral For A Friend" der perfekte Opener für ein Konzert ist - Gestern funktionierte der "Von Null auf Hundert in zwei Sekunden"-Start mit "Saturday Night's..." aber auch ausgesprochen gut... und FUNERAL FOR FRIEND/ LOVE LIES BLEEDING in der Abenddämmerung ist unglaublich geil! Das ist vielleicht das beste Livestück, dass Elton John jemals geschrieben hat. Fast schon progressiv steigert sich das Instrumental schier ins Unendliche und findet mit dem nahtlosen Übergang in "Love Lies Bleeding" ein würdiges Ende. Ein Traum! Dank dem guten Sound ein absolutes Erlebnis. Ein weiteres Highlight war im Anschluss SOMEONE SAVED MY LIFE TONIGHT, wahrscheinlich meine Lieblingsballade, die mit Band und Backgroundsängerinnen einfach traumhaft schön war. Dieses autobiographische Stück wirkte noch einmal emotionaler als in der Originalversion auf "Captain Fantastic And The Brown-Dirt Cowboy" durch Eltons wesentlich tiefer gefärbe Stimme und war die Nummer eins auf meiner Setlistwunschliste. Danke!

Im letzten Drittel des Konzertes folgten weitere Überraschungen, die es wert waren, die gleiche Tour mehrmals zu besuchen: HONKY CAT mit sehr coolen Percussions war der Version des Livealbums "Here And There" von 1974 sehr änhlich und hat Spaß gemacht. Danach kündigte Elton eine Solo-Nummer an und die Band verschwand. Es war NIKITA, das ich jetzt nicht sonderlich toll finde, aber vom Großteil des Publikums sehr erfreut aufgenommen wurde und sicherlich gut in das "Greatest Hits"-Programm passt.
Auch DANIEL, das er 2011 ebenso wenig gespielt hatte wie "Honky Cat" und "Nikita", hatte scheinbar viele Fans im Publikum.
Bei SORRY SEEMS TO BE THE HARDEST WORD wurden, wie schon zuvor bei "Candle In The Wind", sämtliche Smartphones und Kameras gezückt. Die Version war dank der Streicher zwang ziemlich kitschig, aber in dem Fall ist das legitim und soll so sein.

Dann stellte Elton die Band ausführlich mit Spitznamen vor und zusammen zelebrierte man DON'T LET THE SUN GO DOWN ON ME - Elton John in Reinform... immer wieder weltklasse.
Für das Wiederaufkommen der Partystimmung sorgte SAD SONGS. Anschließend das ebenfalls 2011 nicht gespielte I'M STILL STANDING, das Elton erstaunlich gut singen konnte (nicht wie die ziemlich schwache Version seiner 60. Geburtstag-DVD aus dem Madison Square Garden) und mich persönlich auch gefreut hat, weil es live einfach total rockt.
Die Stimmung steigerte sich noch mit THE BITCH IS BACK, bei dem Elton wieder auf seinen Flügel kletterte und die Masse ordentlich einheizte, und war auf dem Zenit bei CROCODILE ROCK, das ich nach wie vor dämlich finde, aber wohl bei 95% der Zuschauer Erinnerung an ihre Jugend hat wachwerden lassen.

Nach einigen Minuten Applaus kehrte Elton alleine auf die Bühne zurück, bedankte sich ausführlich für den warmen und herzlichen Empfang in Deutschland zum Auftakt seiner Sommer-Tour (Juni/ Juli in Oberhausen, Würzburg, Ulm, Ludwigslust und Tüssling), erklärte, warum er bei der EM für Deutschland sei, wünschte uns alles Gute und entließ uns nach etwa 140 Minuten mit dem wunderbaren YOUR SONG (Bandversion) in die Nacht...

Alles in allem hat es sich absolut gelohnt, auf das Konzert zu gehen, weil Elton & Band ohnehin musikalisch exzellent sind, gestern (vor Allem Elton) absolut spielfreudig waren, die Open-Air-Stimmung klasse war und die Setlist ein sehr gelungener Mix aus Hits, Best Of und Sahnehäupchen ist. Vielleicht fahre ich Mitte Juli noch nach Würzburg...

Setlist
01. Saturday Night's Alright for Fighting
02. Bennie and the Jets
03. Grey Seal
04. Levon
05. Tiny Dancer
06. Mona Lisas and Mad Hatters
07. Philadelphia Freedom
08. Candle in the Wind (Bandversion)
09. Goodbye Yellow Brick Road
10. Rocket Man
11. I Guess That's Why They Call It the Blues
12. Hey Ahab
13. Sacrifice
14. Funeral for a Friend/Love Lies Bleeding
15. Someone Saved My Life Tonight
16. Honky Cat
17. Daniel
18. Nikita (Soloversion)
19. Sorry Seems to Be the Hardest Word
-Bandvorstellung-
20. Don't Let the Sun Go Down on Me
21. Sad Songs (Say So Much)
22. I'm Still Standing
23. The Bitch Is Back
24. Crocodile Rock
 

25. Your Song (Bandvesion)

Fotos: